Was ist mein Dienst?
Über 20 Jahre habe ich mich für Menschen mit Psychiatrieerfahrung eingesetzt. Als ich 60 Jahre alt wurde, spürte ich, dass ich dieser Berufung nicht mehr in dem Maß folgen konnte, wie bisher. Es wurde mir klar, dass sich langsam die Zeit des Alters ankündigt.
Wie möchte ich die aktive Zeit, die mir noch bleibt, gestalten? Möchte ich so weitermachen wie bisher? Welche Werte verlieren immer mehr an Bedeutung? Welche werden wichtiger? Wie steht es mit dem Abbau der Leistungsfähigkeit? Vor allem die langsame, aber kontinuierliche Verschlechterung meines Gedächtnisses macht mir dabei Sorgen.
Der Sinn, dass sich die Befindlichkeit und die Lage der Psychiatrieerfahrenen verbessert, verlor immer mehr an Bedeutung. Parallel dazu fand ich endlich zu einem christlichen Glauben, der diese Bezeichnung auch verdient.
Inzwischen sind Gott, Jesus und der Heilige Geist die dreieinigen Personen, die mein Leben bestimmen und der Boden auf dem ich stehe.
Jedem Christen ist ein Dienst zugeordnet. Ich spüre, dass direkte psychiatriepolitische Tätigkeit mich nicht mehr erfüllt. Mit der Bildungsstätte Recoverycollege Südbaden habe ich die Vermittlung von Erfahrungswissen aus dem Bereich der Psychiatrie als meinen neuen Arbeitsschwerpunkt gewählt. Dies ist eine Arbeit, die ich gerne tue, aber ist dies auch der Dienst, der mir für den Rest meines Lebens von Gott zugewiesen ist? Ich bin mir nicht sicher.
Und dann ist da ja noch mein ehrenamtliches Engagement für den Freiburger Verein Selbsthilfe mit Köpfchen (SmK) e.V. Hier ist meine Motivation sehr unterschiedlich. Die Menschen dort bereichern mein Leben, aber meine Motivation Aufgaben zu übernehmen wechselt häufig. Beim Recoverycollege sind wir derzeit nur zu viert im Team. Bei SmK sind wir mehr Beteiligte, wobei die Aufgaben letztendlich auch nur zwischen 4-5 Menschen verteilt werden.
Letztendlich spüre ich allgemein weniger Energie meine Arbeit zu tun. Das Feuer, das viele Jahre lang für meine Arbeit in mir brannte, scheint nach und nach seine Kraft zu verlieren.
Momentan versuche ich einen guten Glaubensweg zu gehen ohne meine Arbeit dabei zu sehr zu vernachlässigen. Ich beschäftige mich inzwischen mehr mit Glaubensthemen, als mit Psychiatriethemen.
In dieser Hinsicht verlangt Gott große Geduld von mir. Schon über 2 Jahre suche ich Menschen, mit denen ich meinen Glauben teilen kann. Ich suche eine spirituelle Heimat, also eine christliche Gemeinde. Immer wieder entstanden bei dieser Suche Hindernisse, dass ich mehr und mehr in Zweifel geriet. Was hat Gott in dieser Angelegenheit mit mir vor?
Eines ist sicher: Christsein bedeutet auch Teil einer christlichen Gemeinschaft zu sein - und zwar real und nicht nur virtuell.
Beruflich gebe es ja noch die Möglichkeit, psychiatrieerfahrene Menschen direkt zu begleiten. Zwei Jahre habe ich so als Genesungsbegleiter gearbeitet. Aber in so geringem Ausmaß, dass ich nicht sicher bin, ob mir diese Arbeit wirklich liegt. Solange das Recoverycollege besteht und dort gute Arbeit geleistet wird, steht die Option Genesungsbegleitung auch nicht zur Debatte.
Grundsätzlich kann ich nicht klagen, wie mein Leben verläuft. Vor allem bin ich mit Karin verheiratet, was mir sehr gut tut. Wir unterstützen uns gegenseitig und haben meines Erachtens eine gute Form des Zusammenlebens gefunden.
Danke dafür vor allem Jesus, der mich immer wieder vor Schlimmeren bewahrt hat, mich liebevoll durchs Leben begleitet und mich auch in einer Zeit beschützt hat, wo er für mich noch keine so große Rolle gespielt hat. An Gott, unseren Vater, glaube ich schon mein ganzes Leben lang, wenn auch mit Zeiten der unterschiedlichen Intensität.
Anschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Weg als Christ nicht ohne Gefahren für mich ist. Ich muss aufpassen, dass mein Glaube ein gesunder bleibt, denn ich neige dazu, den Boden unter den Füßen zu verlieren und nur noch mit dem Kopf im Himmel zu sein. Letztendlich hat unter anderem das schon häufig zu Einweisungen in die Psychiatrie geführt. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich doch noch die gesunde Balance zwischen geistlich und weltlich finde. Meinen Glauben lass ich mir nicht ausreden oder wegtherapieren.
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