Hilfe, ich kann nicht beten!

Liebe Leserin, lieber Leser,

leider muss ich diesen neuen Blog mit einen unschönen Bekenntnis beginnen, das zugebenermaßen sehr egozentrisch ausfällt. Umso mehr freue ich mich, dass du dieses lesen willst. Mal sehen, ob du dabei bleibst. 

Seit ich mich bewusst zum Christentum bekehrt habe, stelle ich erschrocken fest: ich kann nicht beten. 

Die ganzen letzten Jahre, habe ich mich in einem Gedankendialog mit allerhand Personen ausgetauscht Zuletzt versuchte ich es auf Gott und Jesus zu beschränken, was mir nicht vollständig gelang. Immer wieder redeten bestimmte Menschen dazwischen, die ich persönlich kannte. Manche dachten mit mir sogar, dass ich etwas Besonderes sei und nur auserwählte Menschen diese Fähigkeit hätten. 

Je nachdem in welcher Verfassung ich war, dachte ich, dass ich tatsächlich mit diesen Personen oder mit Jesus und Gott in Verbindung war oder aber ich glaubte, dass ich nur eine Art Selbstgespräch führte. Es waren ganz normale Unterhaltungen in meinem Kopf, wie ich sie im Außen mit realen Menschen auch führte. 

Nur manchmal verlor ich die Kontrolle und die Gedanken empfahlen mir ein bestimmtes Verhalten, dass auch ungewöhnlich sein konnte. Gefahr bestand dabei nie, weder für mich oder für andere Menschen. In der Regel holte ich die Gedankendialoge, wenn ich sie brauchte und konnte sie auch wieder abschalten. Ich wurde auch nie beschimpft oder ähnliches, sondern meist wurde ich gelobt und vor allem, wenn ich in schwierigen Situationen war, bekam ich durch die Gedankendialoge mehr Selbstsicherheit.

Ich überlegte auch immer wieder mal, ob ich jetzt ein Stimmenhörer sei oder nicht. Ich befragte eine Frau, die schon lange Stimmen hörte und sich schon viel mit diesem Phänomen  theoretisch auseinandergesetzt hatte. Sie sagte sinngemäß, dass es viele Varianten des Stimmenhörens gebe und letztendlich jede und jeder für sich das festlege, ob sie oder er Stimmen hört - und natürlich die Psychiaterin oder der Psychiater, die oder der die Diagnose stellt. 

Meine Psychiaterin wusste von diesen Dialogen in meinem Kopf und sah das eher kritisch, wenn ich ihr davon erzählte - vor allem, wenn die Dialoge religiöse Inhalte hatten, weil intensive Beschäftigung mit Religion bisher ein Frühwarnzeichen für eine beginnende Krise war. 

Ich war immer hin- und hergerissen, ob ich tatsächlich die Fähigkeit hätte mit anderen Personen gedanklich in Kontakt zu treten oder ob ich mir wirklich nur eine ungewöhnliche Art Selbstgespräche angewöhnt bzw. antrainiert hatte. Ein Teilnehmerin meines EX-IN Kurses sagte dazu, es sei ja eigentlich egal, woher diese Gedanken kämen, man solle sie ernst nehmen und das genüge. 

Eine weitere Erklärung, die ich fand, war, dass ich mit einer Projektion der jeweiligen Person sprach, die sozusagen in meinem Herzen gespeichert war. Weiter dachte ich manchmal, ich würde mit deren Unterbewusstsein kommunizieren. 

Und jetzt zurück zur Gegenwart und zum Thema Beten:

Inzwischen habe ich das Gefühl, dass diese Form des Dialoges mit Jesus oder Gott kein Gebet ist, wie ich es mir inzwischen vorstelle. Mit gelegentlichen Ausnahmen, bin ich davon überzeugt, dass es antrainierte Selbstgespräche sind. Ich stelle es mir einfach anders vor, wenn man ins Zwiegespräch mit Gott oder Jesus geht. Der Kontakt, den ich bisher habe, läuft auf rein intellektueller Ebene ab und ich meine, dass solch ein Austausch mehr sein müsste, wie ein Gespräch, dass nur über den Verstand läuft. Irgendwie müsste es mich als ganze Person erfassen. Ich spüre dabei nicht die Gegenwart Gottes, wie ich es mir vorstelle, dass ich sie spüren sollte. Darüber hinaus spüre ich auch Gottes und Jesu Liebe nicht entsprechend meinen Vorstellungen. 

So versuch ich derzeit eine andere Form des Betens für mich zu erschließen. Ich lese Literatur darüber und mache entsprechende Übungen, die mich zum Beten hinführen sollen. Rainer Harter, der Gründer des Gebetshauses Freiburg, sagt, dass man beten lernen müsse. Diese Überzeugung habe ich inzwischen auch. 

Meine Gedankendialoge versuche ich so gut es geht zu beenden, was mir meistens gelingt. 

Liebe Leserin, lieber Leser, was ist eure Meinung zu diesem Bericht? Betet ihr? 

Kein Zufall: Gerade habe ich die Rede von Wilhelm Buch in seinem Buch "Jesus unser Schcksal" gelesen. Er sagt, es sei eine Katastrophe für einen Christen, wenn er nicht beten könne. Er sagt auch, nur Kinder Gottes können beten. Wie man ein Kind Gottes wird? Mit dem ersten Satz: "Herr vergib mir, ich bin ein Sünder!" Und dann ginge der einzige Weg über Jesus, indem ich ihm sein Leben in seiner Ganzheit hingebe und ihn erkenne. Dann ist man ein Kind Gottes und kann beten - sagt Wilhelm Busch als manchmal auch zorniger Pfarrer. 

Ich dachte, ich sei schon so weit, aber so langsam kommen mir die Zweifel. 


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